Kindheit und Jugend
Marie Félicie Élisabeth Marvingt wurde am 20. Februar 1875 im französischen Aurillac geboren,
welches im Süden des Landes liegt. Zuvor hatten ihre Eltern, der Postbeamte Félix Marvingt und
seine Frau Élisabeth bereits drei Söhne verloren und auch ihr jüngerer Bruder, Eugène, blieb
zeitlebens kränklich.
Die Familie lebte bis 1870 in Metz an der Mosel, verließen die Stadt jedoch durch die deutsche
Besetzung und kehrten erst ein Jahrzehnt später erneut in die Stadt zurück. In Metz besuchte
Marie Marvingt die Privatschule Sainte-Chrétienne und zeigte bereits sehr früh ein sportliches
Talent. Dieses förderte vor allem ihr Vater, da er diese Tätigkeiten nicht mit seinem kranken Sohn
teilen konnte.
Als sie erst vierzehn Jahre als war, verstarb ihre Mutter und die Familie zog nach Nancy.
Sportliches Universaltalent
Bereits in jungen Jahren wurde Marie durch ihren sportlichen Vater die Leidenschaft für den Sport
näher gebracht. Dadurch zeigte sie in zahlreichen Sportarten sehr früh ein unfassbares Talent.
Schwimmen, Fechten, Reiten, Skifahren, Bergsteigen und Eislauf sind bloß einige Sportarten, die
sie betrieb und sie zu einem sportlichen Universaltalent machte.
Im Alter von elf Jahren nahm sie an Radrennen teil und mit fünfzehn fuhr sie mit dem Kanu alleine
400 Kilometer von Nancy bis nach Koblenz. Mit 25 wurde sie französische Schießmeisterin, drei
Jahre später bestieg sie als erste Frau die höchsten Gipfel der Alpen und mit dreißig Jahren
schwamm sie innerhalb von vier Stunden in der Seine durch ganz Paris. Zu dieser Zeit galt sie als
beste Schwimmerin in Frankreich.
1908 bezweckte sie die Tour de France mitzufahren, doch als Frau wurde ihr dies verboten,
wodurch sie hinter dem Feld herfuhr. Da zwei Drittel der männlichen Teilnehmer es nicht ins Ziel
schafften, wäre sie am Ende im ersten Drittel der Fahrer angekommen. Ihre Leidenschaft zum
Fahrradfahren hatte sie nie verloren, denn auch im Alter von 86 Jahren legte sie noch eine Strecke
von insgesamt 281 Kilometern von Nancy bis nach Paris zurück.
Eine weitere große Leidenschaft von ihr, in der sie herausragende Leistung hervorbrachte, war das
Bergsteigen, welches sie vor allem zwischen 1903 und 1910 betrieb. Als erste Frau bezwang sie
den 3.096 Meter hohen Buet und den 4.013 Meter hohen Dent du Géant und bestieg die meisten
Berge in den Französischen und Schweizer Alpen.
All dies war für eine Frau zu dieser Zeit sehr unüblich, doch dies hielt sie nie davon ab, mehr zu
erreichen. Ihr Ehrgeiz und Eigensinn trieben sie dazu, immer weitere Herausforderungen zu
bestehen und über sich selbst hinauszuwachsen.
Abbildung 1: Marie Marvingt beim Skifahren in Chamonix © Archives départementales du Cantal, Alle
Rechte vorbehalten.
Abbildung 2: Auf Skiern in der Umgebung von Chamonix im Jahr 1913.
Agence Rol.
Agence photographique, via Wikimedia Commons,
Gemeinfrei.
Abbildung 3: Die zwei Piloten Marie Marvingt und Paul Echeman auf Skiern im Jahr 1912.
La Vie au Grand Air, via Wikimedia Commons,
Gemeinfrei.
Hoch hinaus
Eine große Leidenschaft von Marie Marvingt war das Fliegen, was sie wohl zum ersten Mal
bemerkt hatte, als sie in den Korb eines Heißluftballons stieg. In einer turbulenten Reise 1909 in
einem Heißluftballon über die Nordsee nach England, nahm ihr neues Hobby beinahe ein jähes
Ende, als eine plötzliche Kältefront und Stürme die Fahrt beschwerten. Doch gemeinsam mit
Émile Garnier schaffte sie es über die stürmischen Wellen hinweg zu navigieren, obwohl Teile des
Ballons froren, sie alles Ballast abwerfen mussten und der Korb wasserte. Schlussendlich kamen
sie jedoch in England an, auch wenn Marie Marvingt bei der Landung aus dem Korb geschleudert
wurde und der Ballon mit ihrem Passagier in einem Baum stecken blieb.
Im gleichen Jahr traf sie ebenfalls den Luftfahrtpionier Roger Sommer, mit dem sie ihren ersten
Motorflug unternahm. Seither nahm sie Flugstunden bei dem französischen Piloten Hubert
Latham, der ihr das Fliegen in einem schwer zu steuernden Eindecker des Types „Antoinette“
beibrachte. Schließlich bekam sie am 8. November 1910 nach Raymonde de Laroche und Marthe
Niel als dritte Frau in Frankreich ihre Pilotenlizenz.
Auch im fortgeschrittenen Alter verlor sie nie ihr Interesse am Fliegen und reiste so 1955 in einem
amerikanischen Militärjet mit. Im gleichen Jahr lernte sie mit 80 Jahren noch einen Hubschrauber
zu fliegen.
Abbildung 1: Marie Marvingt in Pilotenkleidung © Archives départementales du Cantal, Alle Rechte
vorbehalten.
Abbildung 2: Marie Marvingt beim Start zum Grand Prix des Aéro-Club de France im Juni 1910.
Agence Rol, via Wikimedia Commons,
Gemeinfrei.
„Les Amies de l‘Aviation Sanitaire
Als in Europa der Erste Weltkrieg ausbrach, beschloss Marie Marvingt sich zur Krankenschwester
ausbilden zu lassen. Mit ihrer Idee, eine Luftambulanz zu gründen, um Verletzte besser versorgen
und bergen zu können, wandte sie sich an die französischen Behörden und an die Armeeleitung,
welche den Vorschlag jedoch ablehnten. Schließlich wurde sie als Kampfpilotin eingesetzt, doch
ihr Ziel einer Luftambulanz verlor sie nie aus den Augen.
Nach dem Ersten Weltkrieg hielt sie Hunderte an Vorträgen über ihre Idee, bis sie diese 1929
sogar vor dem ersten internationalen Kongress über medizinische Aviatik vortrug. Darüber hinaus
gründetet sie eigenständig die „Les Amies de l‘Aviation Sanitaire“ (dt. "Freundinnen der
Luftsanität"), mit der sie Krankenschwestern, Ärzte und Piloten für Rettungseinsätze aus der Luft
ausbildete.
Noch vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde es ihr von den französischen Behörden
1934 schlussendlich erlaubt, ihre Flugambulanz in Marokko einzurichten.
Abbildung 1: Marie Marvingt in den Schützengräben während des Ersten Weltkriegs.
Le Miroir des Sports , via Wikimedia Commons,
Gemeinfrei.
Abbildung 2: Émile Friant's Zeichnung von Marie Marvingt und ihrer geplanten Luftsanität.
Émile Friant, via Wikimedia Commons,
Gemeinfrei.
Ihre Verdienste
In ihrem ereignisreichen Leben erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen und Pokale. Allein in
Chamonix gewann sie zwischen 1908 und 1910 mehr als 20 Preise in unterschiedlichen
Wintersportarten. Doch einer der größten Auszeichnungen bekam sie im März 1910 von der
französischen „Académie des Sports“ verliehen. Diese übergab ihr als erster und bisher einziger
Mensch eine Goldmedaille in allen Sportarten.
Ihr Projekt zur Luftambulanz wurde ein Erfolg und wurde schließlich mit der marokkanischen
Friedensmedaille ausgezeichnet.
Eine weitere große Ehre wird ihr zu Teil als sie 1934 in die französische Ehrenlegion aufgenommen
und mit dem Ritterkreuz gewürdigt wurde. 1949 wurde ihr darüber hinaus das Offizierskreuz der
Ehrenlegion verliehen.