Aus gutem Haus
Aline Mayrisch de Saint-Hubert wurde am 22. August 1874 als Tochter von Marie Élisabeth Julie
Mongenast und dem Holzgroßhändler Xavier de Saint-Hubert in Hollerich, Luxemburg geboren.
Nachdem sie die höhere Töchterschule „Sainte Sophie“ in Luxemburg besuchte, ging sie für zwei
Jahre nach Bonn, um dort an dem Pensionat „Sartorius“ auf die Ehe und den Lebensstil einer
Dame des wohlhabenden Bürgertums vorbereitet zu werden. Obwohl sie als begabt, intelligent
und neugierig galt und vor allem ein Interesse an Kunst, Literatur und Wissenschaft hatte, durfte
sie keinen höheren Abschluss abschließen, da der Zugang zu einer Hochschulbildung für Frauen
verwehrt wurde.
Schließlich heiratete sie mit zwanzig Jahren den Hütteningenieur Émile Mayrisch, der später
Generaldirektor von dem Stahlgiganten Arbed wurde. Mit ihrem Mann zog sie in das
südluxemburgische Düdelingen und sie bekamen 1899 einen Sohn, der jedoch in jungen Alter
verstarb. Zwei Jahre später kam ihre Tochter Andrée Mayrisch zur Welt.
1920 verlegte die Familie ihren Wohnsitz nach Colpach und ließen ihr Schloss in Düdelingen in ein
Kinderheim umwandeln. Zuletzt zog es Aline Mayrisch 1939 in den Süden Frankreichs, in die
Gemeinde Cabris, in der sie schließlich mit 72 Jahren im Jahr 1947 verstarb.
Abbildung 1: Junge Aline Mayrisch © J. Ganz, Brüssel, 1893, via Luxemburger Autorenlexikon, Alle
Rechte vorbehalten
Abbildung 2: Erwachsene Aline Mayrisch © Atelier Hützel, München, 1911, via Luxemburger
Autorenlexikon, Alle Rechte vorbehalten
Einsatz für bessere Bildungschance
Aline Mayrisch engagierte sich viel im sozialen Bereich und gründete für unterschiedliche Zwecke
zahlreiche Organisationen.
Ihre erste Organisation gründete Aline Mayrisch 1906 gemeinsam mit anderen bürgerlichen
Frauen und eröffnete somit die ‚,l’Association pour les Intérêts de la Femme“ (dt. „Liga für die
Verteidigung der Interessen der Frauen“), welche sich darauf fokussierte notleidenden Frauen zu
helfen und die schulische Ausbildung für Mädchen zu fördern. Darüber hinaus war sie für eine
Stellenvermittlung und den Rechtsschutz für Frauen zuständig und organisierte zahlreiche
Weiterbildungskurse. In Luxemburg stellte dies einen der ersten Momente der organisierten
Frauenbewegung dar.
Um die Bildungsgleichheit in Luxemburg weiter voranzubringen, gründete Aline Mayrisch 1909
eine weitere Organisation, die sich auf die Gründung eines staatlichen Mädchengymnasiums
konzentrierte. Noch im selben Jahr stimmte der Staat der Einrichtung zu, doch unter der
Bedingung, dass sie innerhalb von drei Jahren nachweisen mussten, dass eine Sekundarschule für
Mädchen tatsächlich notwendig sei. Somit wurde das „Lycée des Jeunes Filles“ in Luxemburg-
Stadt gegründet, welches von zahlreichen bürgerlichen Mädchen besucht wurde.
Das Projekt setzte sich trotz Protesten 1911 durch, als ohne Gegenstimmen für eine öffentliche
Finanzierung von Mädchenschulen gestimmt wurde. Hierdurch wurde ermöglicht, dass der
Bildungsnotstand zu einem Ende kam und Frauen zu einem Hochschulstudium zugelassen
wurden, wodurch sie eine ranggleiche Bildung wie Männer erlangen können.
„Cercle de Colpach“
Aline Mayrisch interessierte sich sehr für Kunst und Literatur und nutzte dies, um zwischen den
Kulturkreisen Deutschlands und Frankreichs zu vermitteln. Da ihr und ihrem Ehemann die
Versöhnung beider Länder am Herzen lag, luden sie zahlreiche Persönlichkeiten in ihr Schloss in
Colpach ein und gründeten somit 1917 das „Comité franco-allemand“. Durch diesen literarischen
Kreis sollte eine Verbindung zwischen Persönlichkeiten aus den unterschiedlichen Nationen
geknüpft werden, um ein Verständnis füreinander aufzubauen.
Vor allem in der Zeit zwischen den Weltkriegen nahmen die Treffen zu und Intellektuelle aus
Politik, Wirtschaft, Kunst und Literatur kamen in dem Schloss zusammen. Demnach tauschten sie
ihre unterschiedlichen Ansichten und Ideen bei Treffen in der Bibliothek, im Park oder bei einer
Mahlzeit untereinander aus. In dem Kreis wurden viele Freundschaften geschlossen, was Aline
Mayrischs Vorstellung eines pazifistischen und vereinten Europas widerspiegelte.
Nach dem Unfalltod ihres Mannes begann sie sich zurückzuziehen und verbrachte die 1930er
mehr damit, sich der Literatur und religiöser Mystik zu widmen.
Literarisches Interesse
Bereits sehr früh interessierte sich Aline Mayrisch für kulturelle sowie politische Themen, wodurch
sie 1898 begann, in der belgischen Zeitschrift „L’Art moderne“ Berichte über deutsche Künstler,
aber auch Buchrezensionen zu schreiben. Unter ihre bekannteste Rezension fällt ihr Artikel über
das Werk „L’Immoraliste”, welches von ihrem Bekannten André Gides verfasst wurde.
Darüber hinaus pflegte sie Freundschaften mit vielen bedeutenden Schriftstellern aus Frankreich,
Luxemburg, Belgien und Deutschland und hielt zu vielen von ihnen Korrespondenzen. Während
sie sich mit Edmond Picard und Emile Verhaeren für eine kompromisslose Kunst einsetzte,
unterstützte sie in den 30er-Jahren Thomas Mann finanziell, der aus dem Exil heraus seine
Zeitschrift „Mass und Wert“ publizierte.
Während ihrer Reise 1934 in Japan suchte sie nach religiöser Bedeutung und fand zunehmend
Interesse am Buddhismus. Daher wandte sich Mayrisch in ihrem späteren Leben mehr der
religiösen Mystik zu und übersetzte gemeinsam mit Marie Delcourt und Bernhard Groethuysen
verschiedene Texte, darunter auch die Predigten des mittelalterlichen Mystikers Meister Eckhart.
Die abgebildeten Bilder zeigen Fotografien und Postkarten, welche Aline Mayrisch von
ihrer Reise nach Japan mitbrachte. Sie zeigen, wie sie die Kultur wertgeschätzt hat und
wie das Land zwischen Moderne und Tradition schwangt.
© Centre national de littérature, Luxembourg,
CC BY-NC 4.0