Friedensaktivistin, Pazifistin, Professorin
Am 15. Februar 1890 wurde Klara Marie Fassbinder in Trier geboren und wuchs als das fünfte von
sieben Kindern in einer katholischen und kaisertreuen Familie auf. Dennoch war die Lehrerfamilie
offen für soziale und politische Fragen und so gingen sechs der sieben Geschwister der Tätigkeit
als Lehrerinnen und Lehrer nach.
Ein weiterer Grund für Klara Fassbinder, Lehrerinnen zu werden, war ihre schnelle
Auffassungsgabe, durch die sie bei anderen Kindern aneckte, wodurch sie eine gerechte Lehrerin
für die zukünftigen Generationen werden wollte. Bereits mit 16 Jahren kam sie somit auf das
Höhere Lehrerinnenseminar nach Koblenz und drei Jahre später erreichte sie ihr Lehrerinnenex-
amen für mittlere und höhere Mädchenschulen. Nach weiteren drei Jahren, in denen sie in
Darmstadt einer Lehrtätigkeit nachging, gelang es ihr 1913 ihr externes Abitur im preußischen
Münster abzuschließen, was ihr ermöglichte, einer der ersten weiblichen Studierenden an der
Bonner Universität zu werden.
Dort absolvierte sie 1917 ihr Staatsexamen für das höhere Lehramt in Französisch, Deutsch,
Geschichte und Philosophie und promovierte folgend in der Romanistik.
Kriegsfolgen
Obwohl Klara Fassbinder ein tiefes Verständnis der französischen Sprache innehielt, spiegelte dies
nicht ihre Einstellung dem Land wider. Sie hielt eine negative Haltung Frankreich gegenüber inne,
wodurch sie 1918 freiwillig als Referentin im Offiziersrang in den Krieg zog, mit der festen
Überzeugung, dass Deutschland diesen gewinnen würde.
In der Armee wurde sie an der Westfront in den französischen Ardennen eingesetzt, um die Moral
der Truppen zu stärken. Sie hielt „Vaterländischen Unterricht“, organisierte Kirchenkonzerte sowie
Diskussionsabende und stellte eine kleine Leihbücherei zusammen.
Erst als sie an der Front mit dem Leid der Menschen konfrontiert wurde, regte sich Protest in ihr
und ihre Vorstellung änderte sich abrupt. Denn sie wurde zusätzlich als Vermittlerin zwischen der
französischen Bevölkerung und der deutschen Besatzungsarmee eingesetzt. Somit stand sie im
direkten Kontakt mit der französischen Bevölkerung, die sie nun besser kennenlernte und
fortgehend nicht mehr als den „Erbfeind“ erkannte.
Letztendlich veränderte sie sich von der entschlossen Nationalistin zu einer Verfechterin der
deutsch-französische Freundschaft und des Pazifismus. Im Nachhinein fragte sie sich später oft,
wie sie so lange blind sein konnte.
Frauen- & Friedensbewegung
Vor dem Ersten Weltkrieg war Klara Marie Fassbinder der Überzeugung, dass es besser wäre, sich
nicht in der Politik zu beteiligen und auch das Frauenwahlrecht schien kein wichtiges Thema für
sie darzustellen. Doch nachdem sie aus dem Krieg zurückkehrte, wurde die Diskussion immer
prominenter, bis sie 1926 auf dem internationalen Frauenstimmrechtskongress in Paris zur
Frauenbewegung Anschluss fand. In diesem Kongress wurde sie in den Friedensausschluss
gewählt und setzte sich seitdem ebenfalls für Gleichberechtigung der Geschlechter ein.
Nachdem Konrad Adenauer ab 1950 die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik anstrebte,
schloss sich Fassbinder der Friedensbewegung an und engagierte sich für eine Verständigung mit
dem Osten und für die Wiedervereinigung Deutschlands. Durch ihre klare pazifistische
Stellungnahme wurde sie von dem Verfassungsschutz bespitzelt unter dem Vorwand,
prokommunistische Äußerungen zu verbreiten und 1953 wurde ein Dienstverfahren gegen sie
eröffnet. Dies wurde aufgrund haltloser Anschuldigungen geschlossen, doch wurde Klara Fassbin-
der auf Anweisung der damaligen Kultusministerin von ihrem Amt suspendiert und in den
vorzeitigen Ruhestand gesendet.
Trotz zahlreicher Anfeindungen setzte sie sich weiterhin für die Friedensbewegung ein und blieb
ihren Werten unermüdlich treu.
Tätigkeit als Lehrerin und Professorin
Nachdem sie aus dem Ersten Weltkrieg zurückkehrte, setzte sie sich tatkräftig für eine Versöhnung
mit Frankreich ein und beschloss daher 1920 ins Saarland zu ziehen, das zu diesem Zeitpunkt
weiterhin unter französischer Besatzung stand. Dort lehrte sie an einer Schule in Saarbrücken und
wurde später Leiterin des Bühnenvolksbundes, mit dem sie versuchte, das Theater für alle
Schichten zugänglicher zu gestalten.
Durch ihre öffentlich kritische Haltung gegenüber des antisemitischen und nationalsozialistischen
Reiches wurde sie 1935, nach dem Anschluss des Saarlands an Deutschland, fristlos entlassen. Sie
flüchtete, entgegen der Ratschläge ihrer französischen Freunde, nicht ins benachbarte Frankreich
und blieb stattdessen in Deutschland, um Leiterin einer kleinen katholischen Schule für Mädchen
zu werden. Nachdem diese geschlossen wurde, gab Fassbinder weiterhin Nachhilfestunden und
hielt sich mit Übersetzungen von Paul Claudels Werken finanziell über Wasser.
Als der Krieg endete, kehrte sie jedoch als Schulleiterin an die Mädchenschule zurück und wurde
gleichzeitig an der Pädagogischen Akademie in Bonn Professorin für Geschichte. Sie legte
besonderen Wert darauf, die jüngsten Ereignisse zu analysieren, um ihren Studenten zu
vermitteln, wie es dazu kam und wie eine Wiederholung verhindert wird.
Dort lehrte sie, bis ihr durch ihre klare politische Haltung die Lehrbefugnis entzogen und gegen
ihren Willen pensioniert wurde. Ihr wurde trotz zahlreicher Proteste der Studierenden nicht mehr
erlaubt, die Universität zu betreten und auch eine Abschiedsvorlesung wurde ihr nicht
zugesprochen. Dies hielt sie nicht davon ab 1967 vor 800 Studenten*innen in der Mensa ihren
Vortrag „Schluss mit Deutschland“ zu halten.
Durch den Kultusminister Prof. Paul Luchtenberg wurde sie 1957 rehabilitiert, sodass eine
Danksagung in ihrer Ruhestandsurkunde steht.
Umstrittene Auszeichnungen
1919 sollte ihr das Eiserne Kreuz verliehen werden, was sie jedoch ablehnte, da es nicht mehr zu
ihrer pazifistischen Weltanschauung passte.
Durch ihre Bemühungen für die Deutsch-Französische-Freundschaft und als Übersetzerin von Paul
Claudel sollte ihr 1966 der französische Orden „Ordre des Palmes Académiques" übergeben
werden. Dieser stellt einer der höchsten Auszeichnungen in Frankreich für Verdienste im
Bildungswesen dar. Allerdings untersagte der damalige Bundespräsident, Heinrich Lübke, die
Annahme des Ordens, was zu einem politischen Skandal und großem Aufsehen führte. Erst
nachdem Gustav Heinemann zum neuen Bundespräsidenten ernannt wurde, war es ihr möglich,
den Orden entgegen zu nehmen.
Im Alter von 84 Jahren verstarb Klara Marie Fassbinder in einem Altersheim in Berkum bei Bonn.
Einer ihrer letzten Wünsche bestand darin, mit dem verliehenen Orden begraben zu werden.